Wie sieht die normale Kaufunktion aus?
Normalerweise wird der Unterkiefer in einem geringen Abstand zum Oberkiefer gehalten, nur beim Schlucken beißen wir richtig fest zu. Probieren Sie es aus! Aber das sind nur ganz kurze Momente. Das Kauen dauert zwar länger, aber hierbei gehen wir etwas taktiler, ohne die ganz große Kraft vor. Wir spüren ja das Sandkorn im Essen und beißen nicht mit voller Kraft auf harte Körnchen oder das Knochenstückchen.
Im Normalzustand wirken keine dauerhaften starken Kräfte auf unsere Kaumuskeln, die letztlich in einer CMD resultieren können.
Was passiert bei krankhafter Kaumuskelanspannung?
Spannt die Kaumuskulatur über lange Zeitabschnitte aber übermäßig an, werden die Zahnreihen stark aufeinandergepresst. Es kann auch sein, dass zusätzlich eine – meist immer gleichgerichtete – seitliche Bewegung des Unterkiefers erfolgt. Wir sprechen von Pressen und Knirschen. Unter andauernder Muskelarbeit nimmt der betreffende Muskel an Volumen zu und kann schließlich auch einen Hartspann ausbilden, der bei Berührung schmerzt.
Tagsüber treten diese starken Aktivitäten häufig bei angestrengter Arbeit auf. Diese Aktivität der Muskulatur ist durchaus am An- und Abschwellen der Muskeln sichtbar. Man sollte sich immer wieder daran erinnern, locker zu lassen. Man kann auch andere bitten, uns ans Lockerlassen zu erinnern.
Nachts ist eine derartige Kontrolle aber nicht möglich. Der Schlaf dient dazu, die Eindrücke des Tages zu verarbeiten und zu regenerieren. Leider ist bei vielen Menschen nachts aber die Kaumuskulatur über Stunden durch Pressen und Knirschen der Zähne aktiv.
Diese Daueranspannung der Muskulatur kann zu lokalen Gewebeschäden führen, die sich schließlich als Schmerzen äußern. Unter stundenlangem Knirschen leidet dann auch die härteste Substanz unseres Körpers, der Zahnschmelz.
Wie geht der Zahnarzt bei der CMD-Behandlung nun vor?
1. Klinische Funktionsanalyse
Zunächst nehmen wir eine Klinische Funktionsanalyse vor. Wir werfen zuerst einen Blick auf die
Gesamtkörperhaltung und untersuchen dann die Zähne auf Abnutzungsspuren infolge des Knirschens
und Pressens. Wir stellen fest, welche Muskelanteile schmerzhaft, also überlastet, sind. Wir schauen
uns die Öffnungsbewegung des Unterkiefers an. Ist die Mundöffnung ausreichend, verläuft sie
symmetrisch, kommt es zu Geräuschen seitens der Kiefergelenke? Wir untersuchen den
Bewegungsablauf zwischen Unter- und Oberkiefer. Verläuft dieser störungsfrei oder treten
pathologische Zahnkontakte auf, die Rückwirkungen auf die Gelenke haben? Diese Befunde werden
dokumentiert.
2. Zahnaufbau oder Instrumentelle Funktionsanalyse
In leichten Fällen der Craniomandibulären Dysfunktion kann es ausreichen, abgenutzte Eckzähne
wieder aufzubauen, um die natürliche Funktion dieser Zähne im Bewegungsablauf der Kiefer wieder
herzustellen. Häufig genügt diese Maßnahme schon, um die schmerzhaften Strukturen zu entlasten.
Ist das nicht der Fall, erfolgt im nächsten Schritt eine Instrumentelle Funktionsanalyse. Deren Ziel ist
es, die Stellung der Zahnreihen zueinander und die Bewegungsabläufe in einem Simulationsgerät
darzustellen. Dazu werden Abdrücke von den Zahnreihen genommen und ein Gesichtsbogen
angelegt. Außerdem wird nach vorheriger muskulärer Entspannung eine Zuordnung zwischen Unterund Oberkiefer durch ein Wachsregistrat vorgenommen. An dieser Stelle können statt der Abdrücke
auch digitale Scans der Zahnreihen erfolgen.
3. Behandlung der Craniomandibulären Dysfunktion mit Schienen
Landläufig bekannt sind Zahnschienen als glasklare Kunststoffteile, die auf eine oder beide Zahnreihen aufgesetzt werden. Zahnschienen werden in der Zahnmedizin mittlerweile in den verschiedensten Indikationen eingesetzt. Ob als Aligner zur kieferorthopädischen Bewegung von Zähnen, als Träger für Bleachingmaterial oder als Platzhalter, wenn ein Zahn entfernt wurde.
Was macht denn nun eine funktionstherapeutische Schiene aus?
Eine funktionstherapeutische Schiene zur Behandlung einer Craniomandibulären Dysfunktion wird eingesetzt, wenn der knöcherne Unterkiefer bezogen auf den knöchernen Oberkiefer nicht seine optimale Stellung einnehmen kann. Dies kann durch Wanderungen, Kippungen oder sonstige Abweichungen der Zähne geschehen. Die Zähne mögen zwar aufeinanderpassen, aber der Unterkiefer wird ständig aus seiner eigentlichen „Ruheposition“ herausbewegt.
In der Funktionsanalyse wird diese Abweichung festgestellt und die Schiene simuliert schließlich eine funktionell passende Stellung des Unterkiefers zum Oberkiefer. Die optimale Stellung wird aber zumeist nicht in einem Schritt erreicht, da verspannte Muskeln „dagegen“ arbeiten.
Die begleitende physiotherapeutische Behandlung entspannt immer weiter die Muskulatur. Der Unterkiefer wird immer mehr aus seiner Zwangsposition befreit. Dadurch verändert sich der Aufbiss auf der Schiene, die deshalb in kurzzeitigen Abständen (ca. 1 Woche) adjustiert (= eingeschliffen) und korrigiert werden muss. Zumeist ist nach vier bis fünf Korrekturen ein stabiles Ergebnis erreicht. Es ist zu erwarten, dass dann die Schmerzen des Patienten auch stark rückläufig oder verschwunden sind.
Wie geht es nach Abklingen der CMD-Beschwerden weiter?
Nach erfolgreicher Behandlung der CMD wird kontrolliert, ob in der verbesserten Kieferlage und besonders bei den Seitwärtsbewegungen Fehlkontakte im Gebiss bestehen. Die werden mit kleinen Schleifmaßnahmen beseitigt oder, wo im geringen Umfang Zahnsubstanz fehlt, wird sie wieder aufgebaut. Die meisten Patienten tragen Ihre Schiene nach der aktiven Behandlung weiter, um ein erneutes Auftreten der Beschwerden zu verhindern. Denn es bleibt ja dabei, dass nachts wenig Kontrolle über die Muskelfunktion besteht. Durch das Tragen der Schiene wird auch verhindert, dass es zu einem übermäßigen Abrieb der Zähne kommt. Es ist besser, die Schiene wird abgenutzt als die Zähne!
Fehlen Zähne, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die Lücken mit Implantaten, Brücken oder anderweitigem Zahnersatz zu schließen.
Früher wurde nach einer erfolgreichen Funktionstherapie häufig versucht, zwingend Änderungen an Form oder Stellung der Zähne vorzunehmen. Man glaubte, so eine optimale Zuordnung der Unterkieferzahnreihe zur oberen Zahnreihe dauerhaft etablieren zu können. Zum einen ist das feine Zusammenspiel von Muskeln, Faszien, Sehnen und Gelenken unter der Regie unserer Emotionen keinesfalls so statisch wie gedacht. Zum anderen haben heute wesentlich mehr Menschen gesunde Zähne, die man nicht für prothetische Restaurationen beschleifen möchte.
Wir beraten Sie nach einer Funktionsdiagnostik und CMD-Therapie gerne und ausführlich, wie es bei Ihnen weitergehen sollte. Häufig reichen häusliche Entspannungsübungen oder Muskelmassagen und nächtliches Schienetragen völlig aus. Vielleicht ist auch eine besonders stressige Lebensphase beendet und Ihr Körper entspannt sich wieder von selbst.
Bruxismus – ein noch nicht ganz geklärter Sonderfall
Einige Menschen beginnen schon in der Jugend exzessiv mit dem Zähneknirschen, ohne dass ihnen Muskulatur oder Gelenke Schmerzen bereiten. Die Zahnsubstanz wird im Laufe der Jahre aber gewaltig abgetragen. Schmerzen treten dann auf, wenn der Nerv im Zahn durch Substanzverlust freigelegt wird oder Zähne unter dem gewaltigen Druck zerbrechen. Bei diesem Phänomen spricht man von einem Bruxismus. Man beobachtet ein familiäres Auftreten dieser Angewohnheit. Es wird diskutiert, dass hier eine genetisch bedingte Sonderform der Stressverarbeitung vorliegen könnte. Auch bei diesen Patienten wird man Schienen einsetzen, die das Ausmaß der Zahndestruktion verringern.
Wir beraten Sie gerne, wenn Sie den Verdacht haben, dass bei Ihnen ein derartiger Bruxismus vorliegt. Wichtig ist, dies frühzeitig zu erkennen und den Abriebschäden an den Zähnen entsprechend vorzubeugen.
Wir bitten Sie deshalb: Bei Bruxismus-Verdacht vereinbaren Sie bitte umgehend einen Termin mit uns! Die „Idee“, in jungen Jahren nichts zu unternehmen und die stark abgenutzten Zähne später „einfach“ wieder aufzubauen, ist nicht wirklich zielführend. Der Mensch wird auch mit den neuen Zahnversorgungen knirschen und pressen. Zahnkronen sind aber zumeist für Zerstörung noch anfälliger als natürliche Zähne. Sind die Zahnkronen wiederum extrem hart, gehen sie zwar selbst nicht kaputt. Aber die Kräfte, die auf die Muskulatur und die Gelenke einwirken, übersteigen dann häufig das physiologische Maß. Ganz zu schweigen von den Kosten, die bei solchen Bruxismus-Behandlungen anfallen können.